22.01.2020

Young-ha Kim, Aufzeichnungen eines Serienmörders

Pressekontakt: Ruth Eising | +49.(0)228.25987582 | +49.(0)160.1564308 | r.eising@re-book.de

Der siebzigjährige Tierarzt Byongsu Kim ist "pensionierter" Serienmörder. Er verbringt seine Zeit damit, Klassiker zu lesen und Gedichte zu schreiben. Kurz nachdem er in seinem Viertel einem Mann begegnet, den er als seinesgleichen erkennt, wird bei ihm beginnende Demenz diagnostiziert. Um seine Tochter zu beschützen, plant der alte Mann, mit seinem schwindenden Gedächtnis kämpfend, einen letzten Mord.

In einem Lyrikkurs beginnt der frühere Tierarzt Byongsu Kim Gedichte zu schreiben. Die Gewalttaten, die er dort thematisiert, hält der Dozent des Kurses für Metaphern, für die er lobende Worte findet. Niemals käme er auf die Idee, dass sein Gegenüber ein Serienmörder sein könnte, der die Kühnheit besitzt, seine eigenen Taten zu verarbeiten. Doch das ausgeprägte Selbstbewusstsein des Mörders zeigt schon bald Risse: Eine beginnende Altersdemenz wird diagnostiziert, es entschwinden nach und nach nicht nur die Erinnerungen, auch die Gestaltung des Alltags, in dem seine Ziehtochter eine zentrale Rolle spielt, wird zunehmend schwieriger. Vor allem als Byongsu Kim in seinem zukünftigen Schwiegersohn einen Menschen seines Schlages, einen Serienmörder also, zu erkennen glaubt. Es beginnt ein Kampf, in dem es um die Ausübung eines letzten Mordes geht ...

Young-ha Kims Roman Aufzeichnungen eines Serienmörders erschien in Korea bereits 2013. Es gelingt dem Autor, in der denkbar knappesten Form einen Konflikt zu entfalten, der den Leser fesselt und fasziniert. Sein Buch wurde in Korea bereits verfilmt und von Inwon Park ins Deutsche übersetzt.

Young-ha Kim
Aufzeichnungen eines Serienmörders
Roman
Aus dem Koreanischen von Inwon Park
Geb. mit Schutzumschlag und Leseband
ca. 152 Seiten
ISBN 978-3-944751-22-1
20,00 Euro
Erscheinungstermin: März 2020

Leseprobe:
Ein kleiner Auffahrunfall war der Anfang. Es passierte an einer T-Kreuzung. Vor mir der Kerl in seinem Geländewagen. In letzter Zeit verschwimmt es mir öfter vor den Augen. Das muss mit der Demenz zu tun haben. Ich sah nicht, dass der Kerl anhielt, und fuhr auf. Sein Wagen war für die Jagd umgerüstet. Suchscheinwerfer auf dem Dach, und als würde das nicht reichen, noch drei
Nebelscheinwerfer am Kühler. Bei solchen Wagen kann man sogar den Kofferraum auswaschen. Zwei Zusatzbatterien hatte er auch. In der Jagdzeit wimmelt es in den Bergen hinter dem Dorf von Kerlen wie diesem.
Ich stieg aus und trat an den Wagen heran. Der Fahrer machte keine Anstalten auszusteigen. Das Fenster blieb auch zu. Ich klopfte an die Scheibe.
"Würden Sie bitte einmal aussteigen?"
Er nickte und gab mir mit einer Handbewegung zu verstehen, einfach weiterzufahren. Merkwürdig. Er müsste sich doch wenigstens flüchtig sein Heck ansehen wollen. Als ich nicht von der Stelle rückte, stieg er schließlich aus. Der Mann, Anfang Dreißig, untersetzt, warf einen kurzen Blick auf die Heckstoßstange und sagte, alles in Ordnung. Nichts war in Ordnung. Die Stoßstange hatte eine Delle.
"Fahren Sie ruhig weiter. Die Delle war vorher schon da. Das macht nichts."
"Lassen Sie uns wenigstens Telefonnummern tauschen, für alle Fälle." Ich reichte ihm meine Nummer. Er wollte sie nicht nehmen.
"Das ist nicht nötig."
Seine Stimme war tief und emotionslos.
"Wohnen Sie in der Gegend?"
Der Mann antwortete nicht. Stattdessen sah er mir zum ersten Mal direkt in die Augen. Er hatte Schlangenaugen. Sie waren kalt und grausam. Ich bin mir absolut sicher: In diesem Augenblick haben wir uns gegenseitig erkannt.
Sorgsam schrieb er seinen Namen und seine Telefonnummer auf einen Notizzettel. Eine Schrift wie von einem Kind. Sein Name war Jutae Park. Ich ging noch einmal zum Heck, um den Schaden genauer abzuschätzen. Da sah ich es.
Aus dem Kofferraum tropfte Blut. Ich spürte, wie der Kerl mich fixierte, während ich das heruntertropfende Blut betrachtete.
Wenn aus einem für die Jagd umgerüsteten Geländewagen Blut tropft, denken die Leute, dass ein totes Reh oder so darin liegt. Ich dagegen nehme zuallererst an, dass es eine Leiche ist. Das ist sicherer.