18.05.2021

Neu bei Limmat: Daniela Kuhn, Mit dir, Ima

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Daniela Kuhn erzählt die bewegende Lebensgeschichte ihrer 1935 geborenen Mutter, einer irakischen Jüdin, die in Israel aufwuchs.

Daniela Kuhn erzählt die bewegende Lebensgeschichte ihrer 1935 geborenen Mutter, einer irakischen Jüdin, die in Israel aufwuchs. 1967 heiratete sie in Zürich einen nichtjüdischen Schweizer, und bald darauf kam ihre Tochter zur Welt. Von ihrer Herkunft, auch von Kindheit und Jugend, sprach die Mutter nie. Sie sagt über sich, sie sei "heimwehkrank".

Anhand von Gesprächen, Briefen sowie der Agendanotizen ihres seit langem verstorbenen Vaters zeichnet die Autorin die Geschichte ihrer Familie nach. Sie reflektiert auch ihr eigenes Leben, das von der schwer fassbaren Krankheit ihrer Mutter geprägt ist. Das Buch zeugt von der Liebe zwischen Mutter und Tochter, die allen Widerständen trotzt und anhält bis zum heutigen Tag.

Biografie

Daniela Kuhn, geboren 1969, publizierte als freie Journalistin in verschiedenen Printmedien mit thematischem Schwerpunkt Alter und Psychiatrie. Seit 2016 verfasst sie Auftragsbiografien und bietet Textcoachings an. Im Limmat Verlag sind von ihr bisher sechs Bücher erschienen, zuletzt 2020 ihre Reportage zum Besuchs- und Ausgehverbot in Schweizer Heimen, "Eingesperrt, ausgeschlossen". Daniela Kuhn lebt in Zürich.

Textprobe:

Im Dezember treffen sich die Israelis in grossen Gruppen am Strand, junge Familien mit zwei oder mehr Kindern, die alle miteinander befreundet zu sein scheinen, obwohl sie sich bis vor Kurzem noch nicht gekannt haben. Goa ist ihr Winterdomizil. In meinem Bett, unter dem Moskitonetz, höre ich die Nachbarskinder miteinander spielen oder ihren Eltern rufen: "Abba, Ima!" – Vater, Mutter!

Hebräisch ist die Sprache meiner Mutter, unsere Geheimsprache. Vorgestern habe ich per Skype mit ihr gesprochen. Bevor ich abreiste, habe ich ihr ein Tablet gekauft und ihr gezeigt, wie sie es benutzen muss. Sie ist zweiundachtzig Jahre alt und hatte bisher weder Smartphone noch Computer. Es wird noch etwas dauern, bis sie das Gerät mühelos bedienen kann. Aber ich glaube, sie wird es lernen. Und bis dahin hilft ihr Ben.

Ben ist ihr Freund. Die beiden haben sich vor acht Jahren im Zürcher Seefeld kennengelernt, sie waren Nachbarn im selben Haus. Ben hatte während Jahrzehnten mit seiner Mutter dort gewohnt. Sie war gerade verstorben, als meine Mutter einzog, der Himmel schickte ihm einen veritablen Ersatz. Später gelangte das Haus in die Hände eines Spekulanten, meine Mutter zog in eine Wohnung, die ich für sie mietete, und Ben fand Unterkunft in einer betreuten Wohngruppe.

Seit drei Jahren lebt meine Mutter im Altersheim. Zuvor hatte sie zwei Jahre lang im Neubau des Heims in einer Zweizimmerwohnung ewohnt. Sie war dort sehr zufrieden gewesen, sie mochte die Nachbarinnen und lud einmal im Jahr ihren Bruder Mosche für eine Woche zu sich ein. Dann stellte sich heraus, dass die Sozialbehörden die Miete dieser Wohnung irrtümlicherweisebezahlt hatten, das Heim aber über kein entsprechendes Abkommen verfügte. Meine Mutter, die bis dahin selbstständig eingekauft und gekocht hatte, musste ins Hauptgebäude wechseln, in ein Zimmer mit Balkon. Mit den drei Mahlzeiten, die nun mitbezahlt werden, ist es weitaus teurer.

Früher wäre meine Mutter angesichts eines erzwungenen Umzugs krank geworden. Sie hätte sich in ihre eigene Welt zurückgezogen, sie hätte Stimmen gehört, unter deren Anleitung sie vielleicht eine lange Reise gemacht und viel Geld ausgegeben hätte, bis sie irgendwann nur noch im Bett gelegen wäre und der Notfallpsychiater sie in die Klinik eingewiesen hätte.

Vor vier Jahren war meine Mutter zum letzten Mal in der Klinik. Die Krankheit ist im Alter nicht verschwunden, aber über weite Strecken in den Hintergrund getreten. Die dramatischen Zeiten sind lange her. Was ihr heute begegnet, nimmt meine Mutter so, "wie es von Gott bestimmt ist". Sie lehnt sich nicht mehr gegen die Widrigkeiten des Lebens auf, sondern vertraut auf den göttlichen Plan. "Du kannst die Geschichte meines Lebens schreiben", sagte sie mir kürzlich, "denn sie endet gut: Dank meiner Rückkehr zu Gott bin ich nicht mehr krank."