13.12.2021

Sammlung Philara: Adjustable Monuments

26. Februar 2022 – 26. Juni 2022, Sammlung Philara, Düsseldorf

Pressekontakt: Ruth Eising | +49.(0)228.25987582 | +49.(0)160.1564308 | r.eising@re-book.de

Welche Formen der Erinnerung braucht die Zukunft? Ausgehend von Konflikten rund um unsere Erinnerungskultur erleben wir zurzeit in verschiedenen Teilen der Welt eine Neubewertung sogenannter Denkmäler. In diesem Kontext stellt die Gruppenausstellung Adjustable Monuments die Frage, an wen, woran und vor allem in welcher Form wir uns zukünftig erinnern wollen.

Mit neun Positionen internationaler Künstler*innen und Künstler*innen-Kollektive, zeigt Adjustable Monuments Aspekte einer zeitgemäßen und zukunftsfähigen Erinnerungskultur.

Azra Akšamija, Maximiliane Baumgartner & Alex Wissel, Black Quantum Futurism, Michael Blum, Danielle Brathwaite-Shirley, Zuzanna Czebatul {in Kooperation mit Lazaro Rincón, Léa Mainguy, Jullie Bijoux, Zoé Couppé, Natália Drevenáková, Kristýna Gajdošová, Yuliya Herhalava, Marie Olšáková, Samuel Stano, Marie Zandálková}, Aleksandra Domanović, Petrit Halilaj, Ayrson Heráclito, Ülkü Süngün.

Immer häufiger beobachten wir, dass Denk-, Mahn- und Ehrenmale von demokratiefeindlichen Gruppen als Kulisse ihrer Auftritte und zur ideologischen Legitimierung ihrer einseitigen Geschichtskonstruktionen missbraucht werden.

Häufig versinnbildlichen sie auch den Ausschluss marginalisierter Gruppen. Neben der dringenden Frage, wer das Recht hat, Geschichte zu schreiben und von wem sie geschrieben wird, möchte die Sammlung Philara auch die Formen und Funktionen des Erinnerns sowie deren Entstehung und narrative Konstruktionen in den Blick nehmen und diskutieren. Welche historischen Gegenentwürfe lassen sich formulieren? Stehen Erinnerungen im Interesse von Staat und Kapital oder bieten sie ein Feld gesamtgesellschaftlicher, ständiger Verhandlungen?

Die Positionen der Ausstellung umfassen dabei neue Ansätze der Erinnerungskultur unserer Gegenwart, die sich auf diverse Praxen beziehen: Darunter beispielsweise rituelle Handlungen und die Hinwendung zu immateriellen, temporären, flexiblen, interaktiven, prozessorientierten, multidirektionalen oder kollektiven Zugängen. In ihnen wird die Stellvertreterfunktion, das Verständnis von Zeitlichkeit, die Praxis des Erinnerns und die Materialität von Monumenten neu formuliert und um wichtige Aspekte der aktuellen Debattenkultur, beispielsweise um politische Vergabeprozesse und Repräsentanz, erweitert.


Die Ausstellung Adjustable Monuments wird von einem umfangreichen Rahmenprogramm mit einer Gesprächsrunde und einer Publikation im Frühjahr 2022 begleitet.

Die Ausstellung wird mit freundlicher Unterstützung der Kunststiftung NRW und des Deutsch-Tschechischen Zukunftsfonds realisiert.

Öffnungszeiten:
Fr 16-20 Uhr
Sa 14-18 Uhr
So 14-18 Uhr

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Azra Akšamija (*1976 in Sarajevo, Bosnien und Herzegowina, lebt und arbeitet in Boston, Massachusetts, USA und Graz, Österreich) zog 2020 ihren Siegerentwurf The Future to Be Rewritten für ein Denkmal der Frauenbewegung in der Stadt Cambridge, Massachusetts, kurz vor der Realisierung zurück. Mit ihrem öffentlichen Statement "To Build, or Not to Build … A Monument: Why I Withdrew my Winning Proposal to Cambridge Suffrage" beleuchtet sie öffentliche Vergabe- und Partizipationsprozesse.

Basierend auf ihrer Beschäftigung mit dem Werhahn-Prozess werden Maximiliane Baumgartner (*1986 in Lindenberg, Deutschland, lebt und arbeitet in Düsseldorf) und Alex Wissel (*1983 in Aschaffenburg, Deutschland, lebt und arbeitet in Düsseldorf) ein Modell für einen möglichen Gedenkort konzipieren. Bereits 2018 arbeiten sie in Kollaboration mit Ewa Einhorn und Karolin Meunier an ihrer mehrteiligen Installation und Künstlerpublikation Courtroom #3. Am 27. Juli 2000 wurde am Bahnhofszugang Ackerstraße in Düsseldorf, in unmittelbarer Nachbarschaft der Sammlung Philara, ein Sprengstoffanschlag auf Sprachschüler*innen aus Russland, der Ukraine, Kasachstan und Aserbaidschan verübt. Zehn Menschen wurden dabei lebensgefährlich verletzt; ein ungeborenes Baby verstarb. Sechs der Opfer identifizieren sich als jüdisch.

Das Kollektiv Black Quantum Futurism (mit Sitz in Philadelphia, Pennsylvania, USA) befragt die Linearität von Raum und Zeit und schlägt einen historischen Geschichtsentwurf intersektionaler Zeitorientierung vor, in welchem Vergangenheit und Zukunft nicht von der Gegenwart abgeschnitten sind, sondern beide Dimensionen als Einfluss und real-aktivistischer Handlungs- und Gestaltungsraum gedacht werden.

Danielle Brathwaite-Shirley (*1995 in London, UK, lebt und arbeitet in London und Berlin) sucht Erfahrungen Schwarzer Trans Personen, insbesondere im Rekurs auf den transatlantischen Sklavenhandel, globale Migrationsprozesse ebenso wie Trans Körperlichkeit, zu archivieren. Durch den Einsatz von Videospieltechnologien und -ästhetiken schafft Braithwaite-Shirley immersive digitale Umgebungen in Form von Animationen, Performances, Videospielen oder digitalen Theaterstücken, die gelebte Erfahrung mit spekulativer Fiktion und Echtzeit-Interaktion verbinden.

Zuzanna Czebatul (*1986 in Międzyrzecz, Polen, lebt und arbeitet in Berlin) untersucht gemeinsam mit zehn studierenden Künstler*innen der Brno University of Technology in Tschechien, an der Czebatul momentan lehrt, symbolische Machtverhältnisse und Politiken des Monuments. Gemeinsam entwickeln die Künstler*innen eine kollaborativ angelegte Installation von Miniaturen, die einem monumentalen Denkmalbegriff entgegenstehen. Die Installation enthält künstlerische Beiträge von Lazaro Rincón, Léa Mainguy, Jullie Bijoux, Zoé Couppé, Natália Drevenáková, Kristýna Gajdošová, Yuliya Herhalava, Marie Olšáková, Samuel Stano, Marie Zandálková und Zuzanna Czebatul.

Aleksandra Domanović (*1981 Novi Sad, Serbien, ehemals Jugoslawien, lebt und arbeitet in Berlin) thematisiert kulturelle und politische Leerstellen der Erinnerungskultur sowie soziale und kulturelle Überbrückungsphänomene. Der Video-Essay Turbo Sculpture bezieht sich auf Repräsentanz im öffentlichen Raum Südosteuropas und beschreibt Denkmäler, die keinen historischen Personen oder Ereignissen, sondern Figuren wie beispielsweise Bruce Lee oder Rocky Balboa gewidmet sind.

Turbo Sculpture wird gemeinsam mit der Arbeit The Rumour (Or How Samantha Fox Helped Cacak Reach Fame) von Michael Blum (*1966 Jerusalem, Israel, lebt und arbeitet in Montreal) präsentiert. Das Werk bezieht sich auf ein Gerücht aus dem Jahre 2007, das im Zusammenhang mit der Errichtung eines Denkmals für die Sängerin Samantha Fox entstand. Der Wahrheitsgehalt dieses Vorhabens konnte nie geklärt werden. Blum nimmt hierbei das Spekulative in den Blick – als Symbol unserer Zeit.

Petrit Halilaj (*1986, Kostërrc, Kosovo, lebt und arbeitet im Kosovo, in Deutschland und in Italien) beschäftigt sich in seiner künstlerischen Arbeit mit kultureller Identität, persönlichen und kollektiven Erinnerungen und öffnet einen multidirektionalen Zugang. Seine Installation Very volcanic over this green feather greift Zeichnungen aus seiner Kindheit auf, die er als Dreizehnjähriger während des Kosovo-Krieges (1998-99) im Flüchtlingslager Kukës II in Albanien anfertigte.

Ayrson Heráclito (*1968 in Macaúbas, Brasilien, lebt und arbeitet in Cachoeira und Salvador) vollzieht eine rituelle Reinigung an zwei Orten des kolonialen Schmerzes und der kollektiven Traumata. Die zweiteilige Videoarbeit verhandelt das Anliegen, exemplarisch am Beispiel ehemaliger Verwaltungs- und Deportationsorte in Senegal und Brasilien, den heute noch spürbaren Auswirkungen des transatlantischen Sklavenhandels, mit Selbstbehauptung und Widerstand zu begegnen.

Ülkü Süngün (*1970 in Istanbul, Türkei, lebt und arbeitet in Stuttgart) schafft einen Erinnerungsraum für die zehn Menschen, die durch den "Nationalsozialistischen Untergrund" (NSU) ermordet wurden. In einer partizipativen Performance bringt die Künstlerin Ülkü Süngün interessierten Teilnehmenden in einer Eins-zu-eins-Situation, die korrekte Aussprache der Namen der zehn Mordopfer bei: Theodoros Boulgarides, Michèle Kiesewetter, Habil Kılıç, Mehmet Kubaşık, Abdurrahim Özüdoğru, Enver Şimşek, Süleyman Taşköprü, Mehmet Turgut, İsmail Yaşar und Halit Yozgat. Mit jeder*m dazukommenden Teilnehmenden wird der "Chor der Sprechenden und Erinnernden" lauter, wodurch ein kollektives, temporäres Denkmal entsteht.